Unser Fazit & Diskussion

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Fazit zur Region:

Die mittelgroße Kreisstadt Pinneberg (rd. 42.000 Einwohner) im Speckgürtel von Hamburg bietet einige wenige Einkaufsmöglichkeiten für nachhaltige Bekleidung, was vermutlich im bundesrepublikanischen Durchschnitt liegt. Damit kann der 'Buy local'-Aspekt des nachhaltigen Einkaufens nur für wenige Artikel beherzigt werden. Das grösste Angebot gibt es an Baby- und Kleinkindbekleidung, gefolgt von Strumpfwaren und Unterwäsche. Dahinter folgt ein kleines Angebot an nachhaltiger Oberbekleidung, insb. Jacken und T-Shirts. Während vor allem Baby- und Kleinkindbekleidung, aber auch Unterwäsche für Erwachsene schon länger einen insgesamt größeren Anteil an nachhaltigen Produkten gemessen an dem Gesamtbekleidungsangebot haben, sind noch zwei (ebenfalls typische) Aspekte aufgefallen: Geschäfte führen dann nachhaltige Produkte und dann eben auch nachhaltige Bekleidung, wenn ihr gesamtes Sortiment (ihre Geschäftsphilosophie) darauf ausgerichtet ist und/ oder wenn sie es sich als große Filialisten leisten können/ wollen, eine nachhaltige Produktlinie zur Vervollständigung ihres Sortimentes (natürlich auch zur Steigerung des Gesamtumsatzes) zu haben. 

Punkten kann Pinneberg dagegen mit recht vielen Möglichkeiten - Kleidermärkte, Flohmärkte, regionale und saisonale Märkte, regionale Internetbörse, Läden mit Gebrauchtwaren - Secondhandbekleidung zu kaufen (und zu verkaufen). - Kleider neu schneidern, reparieren, anpassen oder verändern lassen: Es gibt mehrere Änderungsschneidereien, die leicht aufzusuchen und günstig sind.

 

Woran erkennt man nachhaltige Bekleidung (Neuware):

Hauptsächlich sehen wir hier drei Möglichkeiten:

1. Die Orientierung an den Nachhaltigkeits-Siegeln, mit denen Bekleidungsstücke ausgezeichnet sind. Das derzeit beste Nachhaltigkeits-Siegel ist 'IVN BEST', etwas weniger stark, aber weiter verbreitet ist 'GOTS'. Das 'cradle to cradle'-Siegel ist ebenfalls sehr werthaltig und birgt hohes Potential, ist aber aktuell noch wenig verbreitet.

2. Informationen von den Herstellern direkt über Webseiten (z. B. Geschäftsphilosophie) oder auch spezifische Anfragen. Nicht jedes Unternehmen kann oder will sich Siegel-Zertifikate leisten.

3. Kauf bei regionalen Herstellern von nachhaltigen Produkten. Diese arbeiten ebenfalls meistens ohne Siegel. Merkmal ist im besten Fall, dass sie alle Herstellungsschritte selbst oder in Kooperationen durchführen (z. B. Wolle gewinnen, reinigen, färben, spinnen, verarbeiten, Produkt enthält nur wenige zusätzliche 'Fremdmaterialien') und dabei über alle Prozesse Bescheid wissen und auch Einblick gewähren (z. B. durch Vor Ort-Besichtigung, Tag der offenen Tür, Broschüre; Gespräch). Diese Betriebe sind rar, aber es gibt und man findet sie.

Optimal: Kauf bei einem Unternehmen aus der Nähe, das nachhaltige Bekleidung produziert und dessen Herstellprozeß insgesamt transparent ist.

 

Warum fällt es so schwer, sich in punkto Bekleidung nachhaltig zu verhalten:

  • Das Angebot ist noch zu klein und unscheinbar, die Produkte noch zu sehr Nischenprodukte, der 'break even point' des Nachahmens noch nicht erreicht. Der Kauf nachhaltig produzierter Bekleidung ist in der Masse der Gesellschaft noch nicht angekommen, "Green Fashion" kein Gesellschaftstrend.
  • Das Standard-Etikett eines Bekleidungsstücks bietet in der Regel keine Informationen über Nachhaltigkeitsaspekte während des Herstellung bis hin zum fertigen Ladenprodukt. bspw. im Produktions-, Arbeits oder logistischen Prozeß dar. Dazu zählen umweltschonende Produktions-, faire Arbeitsbedingungen oder Länge der Transportwege, es ist den Stücken nicht anzusehen. So ist eine Kauf-Auswahl nach Nachhaltigkeits-Kriterien kaum möglich, sofern nicht eines der offiziellen Siegel vorhanden ist.
  • Eine unmittelbar negative Wirkung, wenn man 'konventionelle' Bekleidung kauft, tritt in der Regel nicht ein, z. B. gesundheitliche Beeinträchtigungen. Eine Betroffenheit über unwürdige Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion entsteht nicht, da dies nicht sichtbar außerhalb unseres Lebensumfeldes stattfindet.
  • Die aktuelle Strategie der Bekleidungs-Industrie sieht so aus, den Umsatz durch häufige Trend-Wechsel und preisniedrige Stücke zu steigern. Diesen 'neuen Look' will man dann auch haben.
  • 'Shoppen gehen' hat Freizeit- und Erholungsfunktion. Es entspringt meist keiner Notwendigkeit, sondern folgt Impulsen und richtet sich an der jeweiligen 'peer group' aus. Da möchte man nicht so gerne an für uns nicht mehr akzeptable Arbeitsbedingungen für NäherInnen in Fernost oder durch Färbereien verseuchte Gewässer in Indien denken.
  • Nachhaltige Bekleidung hat oft einen höheren Preis. Es gibt weniger Einkaufsquellen, die man zu Beginn auch erst einmal ausfindig machen muß. Außerdem müssen Routinen (Einkaufsverhalten) geändert werden.
  • Es gibt keine weithin bekannten stattlichen Programme zur Aufklärung über oder Förderung von nachhaltiger Bekleidung oder Reglementierungen in diese Richtung z. B. in Form von gesellschaftliche Basis-Rahmenbedingungen, zum Erreichen des selbstgesteckten Ziels einer nachhaltig agierenden Gesellschaft (siehe BMU-Verweis 'Zum Weiterlesen'). Noch wird auf Basis von Freiwilligkeiten gesetzt und agiert sowohl in Bezug auf Hersteller als auch in Bezug auf Verbraucher. Viele Informationen zur Nachhaltigkeit findet man auf den Seiten des BmU, und das BmZ versucht mit sanftem Druck über den 'Grünen Knopf' und neuerdings auch mit verpflichtenden Regelungen über das in Aussicht gestellte Lieferkettengesetz ein höheres Nachhaltigkeits-Niveau zu erreichen.

 

Nachhaltigkeit erreichen in 6 wichtigen Punkten über den Lebenzyklus:

Von der Entstehung bis in den Laden:

1. Schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen, z. B. Wasser (Anbau, Färben).

2. Sparsamer Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen, z. B. Erdöl (Faser, Transport, Energie).

3. Faire und gesunde Arbeitsbedingungen für alle am Entstehungsprozeß Beteiligte, z. B. würdiger Mindestlohn, Arbeitsrechte, Arbeitssicherheit, Bildungschancen.

Vom Laden, über den Gebrauch bis zum Ende:

4. Nachhaltiger Kauf: a. Nachhaltig hergestellte Stücke. b. Weniger, besser, zeitloser, zu anständigen Preisen.

5. Umweltschonende und energiesparende Pflege und Reinigung. Lange Gebrauchsdauer.

6. Lebenszyklusende: Echtes Recycling oder Kompostierung (-> kein Verlust, d. h. kein Müll).

 

Fazit zur Nachhaltigkeit bei Bekleidung: Wo stehen wir heute (in 2020)?

Zitate aus einer McKinsey-Pressemitteilung vom 17.10.2019:
'Nachhaltigkeit ist das neue Must-have... Angebot an nachhaltiger Mode wächst jährlich um das Fünffache... Dennoch nur 1% der Modeprodukte bereits als "nachhaltig" gekennzeichnet... Noch fehlen oft Standards und Definitionen für Nachhaltigkeit... Probleme bei Verfügbarkeit von nachhaltigen Materialien...'

 

Wer es will, kann sich - trotz Nischenprodukt - mit nachhaltiger Bekleidung eindecken.  In kleinem Rahmen in Pinneberg, der Rest läßt sich anderswo aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder letztlich in Hamburg beziehen (siehe auch bei 'Einkaufsquellen'), was man in Bezug auf Bekleidung (weniger Stücke - sorgfältiger ausgesucht - länger getragen) noch als 'buy local' einsortieren kann.

 

Nachhaltigkeit bei Bekleidung erschöpft sich nicht in der Herstellung allein und ist nicht beim Kauf beendet. Die Art und Weise von Reinigung, Pflege und Entsorgung kann sich in der Gesamt-Nachhaltigkeitsbilanz sogar stärker niederschlagen als der Kauf. Und dies liegt in der Hand des Nutzers/ der Nutzerin.

Nachhaltigkeit und Konsum (= Kauf über Grundausstattung hinaus) stehen im Widerspruch. Durch unserem westlichen Lebenstil beanspruchen wir seit langem die Ressourcen dieser Welt über alle Maßen, auch in Bezug auf die schiere Masse an Bekleidung, die gekauft wird. Bspw. ist der ökologische Fußabdruck eines durchschnittlichen Deutschen ca. 9mal größer als der eines durchschnittlichen Afrikaners. Insofern stehen wir in besonderer Verpflichtung, uns zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu entwickeln. Schlüsselmaßnahmen können sein: Nachhaltigkeits-Forschung, wirksame und anhaltende Verankerung des Aspektes Nachhaltigkeit in allen Ebenen der Gesellschaft, Aufklärung, Forschen, Fördern und Fordern von technischen Lösungen (z. B. echter Kreislaufwirtschaft), verpflichtende Einpreisung aller ökologischen Komponenten, die im Wirtschaftsprozeß unwiderbringlich verbraucht werden, Veränderung des Wirtschaftssystems.

 

Nachhaltigkeit ist nicht mit 'Bio' oder 'Öko' gleichzusetzen. Es ist mehr. Der Begriff ist hoch komplex, das beinhaltende Ziel indirekt beschrieben und sehr hoch gesteckt (siehe 'Brundtland -Bericht'), die Meßbarkeit schwierig und fertige, komplette Maßnahmenpakete nicht vorhanden. Kann Nachhaltigkeit überhaupt erreicht werden und wenn ja, was müßte alles verändert werden? Wann ist etwas wirklich nachhaltig und nicht bloss nachhaltiger (was aber schon als Teil-Erfolg gesehen werden kann)? Fest steht, daß sich dies nicht allein, aber unbedingt auch durch Verbraucherverhalten erreichen läßt.

 

Noch 2 ausgewählte Aspekte zur Nachhaltigkeit:

Die Abbildung "Nachhaltigkeitsmanagement" zeigt verschiedene Akteure in verschiedenen Ebenen, die alle - je in unterschiedlicher Art und Weise und mit wechselseitigen Beeinflussungen - an der Nachhaltigkeitsschraube drehen können (und müssen).

Quelle: Spiess 2016

Warum ist das wichtig? Jede/r selbst ist ein Bestandteil der Gesellschaft und kann durch ihr/sein Verhalten in andere Bereiche hineinwirken (Vorbild). Ebenso zeigt es die anderen gesellschaftlichen Akteure und deren Wirkungsradien. Je mehr Akteure sich nachhaltig verhalten, umso mehr kann man von einer nachhaltigen Gesellschaft sprechen.

"Closing the loop" - Kreislaufwirtschaft statt Einbahnstrasse: Einmal hergestellte Produkte werden als Ressource für die nächsten Kollektionen wieder-verwendet. Das ist echtes und notwendiges Recycling. Ausnahme: Bekleidungsstück ist so zusammengesetzt, dass es kompostierbar ist (indirektes Recycling).

Quelle: Spiess 2016

Warum ist das wichtig? Kreislaufwirtschaft ist vermutlich DIE wichtigste Komponente im Bereich der Nachhaltigkeit. Besteht ein Kreislauf, geht nichts verloren und man benötigt keine Neu-Stoffe. Dies kommt der Nachhaltigkeits-Definition schon sehr nahe: Die nachfolgende Generation soll genauso viel zur Verfügung haben, wie die aktuelle usw.

 

Zum Weiterlesen:

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Mc Kinsey: Pressemitteilung vom 17.10.2019
191017_PM_Nachhaltigkeit Mode.pdf
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Umwelt Dialog vom 17.01.2019: Studie: Nachhaltigkeit in der Mode
https://www.umweltdialog.de/de/verbraucher/textilien/2019/Studie-Nachhaltigkeit-in-der-Mode.php
Screenshot_2020-06-08 Studie Nachhaltigk
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BMU: Nachhaltige Entwicklung als Handlungsauftrag
https://www.bmu.de/themen/nachhaltigkeit-internationales/nachhaltige-entwicklung/strategie-und-umsetzung/nachhaltigkeit-als-handlungsauftrag/
Screenshot_2020-06-08 Nachhaltige Entwic
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Enorm-Magazin: Ein Plädoyer für Polyester
https://enorm-magazin.de/lebensstil/nachhaltige-mode-green-fashion/ein-plaedoyer-fuer-polyester
Screenshot_2020-06-18 Ein Plädoyer für P
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Utopia: Pyramide für nachhaltigen Konsum
https://utopia.de/ratgeber/nachhaltig-einkaufen-pyramide-konsum/?utm_source=Interessenten&utm_campaign=3ea6479bfd-Newsletter_Mo_20KW04&utm_medium=email&utm_term=0_af58dac727-3ea6479bfd-265125141
Screenshot_2020-06-18 Die Pyramide für n
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Cradle to Cradle NGO im 'Enorm-Magazin': "Wir schaffen Werte, nicht Schadstoffe"
https://enorm-magazin.de/wirtschaft/kreislaufwirtschaft/cradle-to-cradle/cradle-to-cradle-wir-schaffen-werte-nicht-schadstoffe?ct=t(2020_06_11)
Screenshot_2020-06-18 NGO Cradle to Crad
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Enorm-Magazin: Wohin mit den alten Klamotten?
https://enorm-magazin.de/lebensstil/altkleider-spenden-wohin-mit-den-alten-klamotten?utm_source=Good+News&utm_campaign=3dc58d17ec-GoodNews_CAMPAIGN_2019_01_17&utm_medium=email&utm_term=0_b67140e625-3dc58d17ec-271373213&mc_cid=3dc58d17ec&mc_eid=5386122098
Screenshot_2020-06-18 Altkleider spenden
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bpb: Fakten zu ökologischer Fußabdruck und Biokapazität
https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/255298/oekologischer-fussabdruck-und-biokapazitaet
Screenshot_2020-06-18 Ökologischer Fußab
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Diskussionsportal:

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Kommentare: 2
  • #2

    Gruppe Nachhaltigkeit (Moderation) (Sonntag, 15 November 2020 11:52)

    Hallo Christian, habe mir auf Deinen Hinweis hin die Bewertungen noch einmal angesehen und an einigen Stellen verändert. 'Denn's' hat jetzt 3 Sterne, da sie das, was sie anbieten (wenn es auch nur ein kleines Sortiment ist) zu 100 % 'GOTS'- belabelt ist. 'Wundertüte' berücksichtigt in keinster Weise die ursprüngliche Herkunft der Stücke, punktet aber im Bereich 'Ökonomie' (kleiner Preis, Wiederverwendung- kein Kauf Neuware), im Bereich 'Ökologie' in Bezug auf Regionalität und im Bereich 'Soziales' kann man die Unterstützung für Personen mit wenig Geld anführen. Das reichte uns nicht für 3 Sterne.

  • #1

    Christian Zitzmann (Mittwoch, 28 Oktober 2020 14:08)

    Warum ist bei "EINKAUFSQUELLEN IN PINNEBERG" der DRK Laden nur mit zwei * und nicht mit drei bewertet?